Bonus-Szene: „Glück & selig!“ – Abends im Ateliertheater
Diese Szene folgt auf die Musicalaufführung im Ateliertheater, in „Glück & selig!“ ist das Kapitel 25. Alles ist gut gegangen, die Show war letztendlich ein voller Erfolg, und Darsteller sowie Helfer können sich bei der kleinen Party danach selbst feiern. Das folgende Gespräch steht zwar so nicht im Buch – hat sich aber ganz genau so abgespielt ;-)
Die ganze Aufregung im Ateliertheater hatte mir tierisch auf den Magen geschlagen. Ich brauchte eine knappe Stunde, drei Canapées mit Crème Fraiche und Kresse, zwei kleine Pain au Chocolat und ein großes Glas Wasser, ehe ich körperlich wieder einigermaßen auf der Höhe war.
Deshalb fiel mir auch erst recht spät auf, dass Vincent ganz alleine am Rande der provisorischen Tanzfläche stand, an einen der Stehtische gelehnt, und ein ziemlich düsteres Gesicht machte.
Ich ging zu ihm, legte ihm beide Arme um die Taille und drückte ihn kurz an mich.
„Ich bin Vincent“, sagte er, und ich ließ ihn los.
„Und ich bin Lina, schön, dich kennenzulernen“, antwortete ich und zwinkerte ihm zu.
Er warf mir einen ominösen Blick zu, den ich grinsend erwiderte.
Ich deutete in Richtung Bartheke. „Arthur ist da hinten. Keine Sorge, mittlerweile kann ich euch sogar im Dunkeln unterscheiden. Aber du hast eben so ausgesehen, als ob du auch mal eine Umarmung brauchen könntest. Mach ich auch bei Mats manchmal, also keine Sorge.“
Vincent atmete geräuschvoll aus und sah wieder zur Tanzfläche, wo gerade Xenia, Leila, Mike, Delia und noch ein paar andere aus dem Team der Musicalgruppe ausgelassen tanzten. Die gedimmten Deckenleuchten warfen fahles Licht auf sein Gesicht, der Rest von ihm verschwand in der Dunkelheit hinter ihm. Trotzdem konnte ich erkennen, dass er nicht besonders fröhlich war.
Ich knuffte ihn freundschaftlich in die Seite. „Was ist los?“
Er sagte nichts, und ich nahm an, dass er es mir nicht erzählen wollte.
Doch schließlich meinte er leise:
„Senta ist nicht die Einzige, die wegzieht, weißt du? Sie geht auch weg. Mit ihrer Familie. In ein paar Wochen. Sie ziehen weg, weil ihre Eltern neue Jobs gefunden haben, außerhalb der Stadt.“
Ich wusste sofort, von wem er sprach. Und mein Herz wurde schwer für ihn, als ich endlich verstand.
„Das tut mir so leid“, murmelte ich. Reflexartig legte ich wieder einen Arm um ihn – ich hatte keine Ahnung, wie ich ihn trösten konnte.
„Und weißt du, was das Ironische an der Sache ist?“ Er schnaubte, aber ich wusste, dass es kein echtes Lachen war. „Ihre Eltern haben den Job durch unsere Mutter vermittelt bekommen. Durch sie und ihre Freundin, die Mutter von Vicky. Anscheinend ist der neue Job genau in dem Kaff, wo die herkommen. Sie ziehen … dorthin. Genau dorthin. Ausgerechnet.“
„Oh, das ist ja -“ beschissen. „ Das ist ja gar nicht so weit weg von hier. Nur so eine gute Stunde oder so.“
Vincent schwieg.
„Und Vicky hat mich schon tausend Mal eingeladen, sie zu besuchen. Dann musst du natürlich mitkommen!“
Vincent sah mich von der Seite an. „Ich muss erst mal rauskriegen, ob sie sich das wirklich wünscht. Oder ob ich mir das nur einbilde.“
„Soll ich sie für dich fragen?“
Er machte sich aus meiner Umarmung los und schnippte mir gegen die Nase.„Das kann ich schon selbst, kleine Schwester.“
Daran hatte ich keine Zweifel. „Also, du wünscht es dir offensichtlich.“
Ich musste nicht meinen Wunschflimmerblick anstellen, um die Antwort in seinem Gesicht zu sehen.
Sein Blick glitt wieder zur Tanzfläche glitt. „Glaub schon.“
„Dann geh zu ihr. Wir werden erst in einer halben Stunde abgeholt.“
Er warf mir einen Seitenblick zu. Doch ehe er sich auf den Weg machte, zog er mich seinerseits kurz in eine Umarmung.
„Wofür war das denn?“, fragte ich ihn, doch er lächelte nur, ehe er voller Coolness durch den Raum schlenderte.
Direkt zu ihr.
Direkt zu – Delia.