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Bonus-Szene: „Zimt - Auf den ersten Sprung verliebt“ Finns & Jakobs Party

ACHTUNG: SPOILER, wenn man das Buch noch nicht gelesen hat.

Diese Bonusszene war ursprünglich ein Teil von „Zimt – Auf den ersten Sprung verliebt“, hat es aber leider nicht durchs Lektorat geschafft, weil wir hier und da den Text ein bisschen umgestellt haben. Trotzdem mag ich immer noch den Gedanken sehr, dass Finn und Jakob eine kleine Einweihungsparty schmeißen. Dieses Kapitel schließt in etwa an Kap. 13 an, passt aber natürlich nicht mehr100%ig zum fertigen Buch. Trotzdem wollte ich sie euch gerne lesen lassen. Ganz viel Spaß damit!

Auch wenn Finn mir selbst nicht geheuer war – beschatten wollte ich ihn deswegen trotzdem nicht. Doch Pauline war nicht von ihrem Plan abzubringen. Sie hatte uns in dieser Woche ständig aufgefordert, eine Auge auf ihn zu haben, und als wir uns geweigert hatten, uns auch noch außerhalb der Schule an seine Fersen zu heften, hatte sie es schließlich selbst getan. Unter dem Vorwand, sich von ihm die Kontaktlinsensache erklären zu lassen, hatte sie sich mit ihm verabredet, nur um mit deutlich schlechterer Laune als vorher zurückzukommen. Weil er wohl so auffällig unauffällig und nett gewesen war. Trotzdem hatte sie auch in den nächsten Tagen nicht locker gelassen, und fast war ich froh, dass sich wenigstens für den folgenden Sonntag das Problem von alleine gelöst hatte. Denn da waren wir alle zusammen unverhofft zu ihm nach Hause eingeladen worden.

„Hier ist es mir irgendwie unheimlich“, murmelte Pauline neben mir und stierte mürrisch in den Garten. Hinter der ganzen Aktion steckte natürlich Claire. Sie hatte die Strippen gezogen und Sonntagmittag jede Menge Freunde eingeladen, allerdings nicht zu sich, sondern kurzerhand ins Nachbarhaus zu Finn und Jakob. Sie nannte es Housewarming-Party und behauptete, dass das in unserem Ort Tradition war, was glatt gelogen war.

Denn seit es bei einer solchen Housewarmingparty von Bernd, dem Spengler in unserem Ort, ausgerechnet einen Dachstuhlbrand gegeben hatte, schreckten alle Stadtbewohner davor zurück. Claire war das aber total egal, und ich vermutete, dass sie in die Fußstapfen ihrer Mutter treten wollte – die Cloppenburgs schmissen jedes Jahr eine riesige Mottoparty, die legendär war. Ein Motto hatte sie zwar nicht durchboxen können, aber mit ihrem Charme zumindest die Brüder und deren Mutter vor vollendete Tatsachen gestellt. Die waren allerdings nicht empört von ihrem Plan, sondern hatten gutmütig die mitgebrachten Burger und Getränke in Empfang genommen und – unter vorbildlichen Brandschutzvoraussetzungen – im Garten den Grill angeworfen. Allein deshalb hatten sie schon meinen vollsten Respekt.
Und so waren wir hinter dem Haus von Finn und seiner Familie gelandet, und ich ließ meinen Blick schweifen. Finn stand mit einer gestreiften Schürze am Grill und kümmerte sich um die Burger, während sein Bruder mit Yoko und Delia unter dem riesigen Sonnenschirm ins Gespräch vertieft war.
Pauline und ich saßen auf einer Holzbank in der Sonne. Mit einer Hand beschattete ich meine Augen, mit der anderen hielt ich ein Stockbrot, das fast genauso gut schmeckte wie das von meiner Mum.
„Was genau ist dir unheimlich?“, fragte ich, weil die ganze Szenerie vor uns kein bisschen gruselig war, sondern im Gegenteil harmonisch und sehr gemütlich.
„Der hier“, sagte sie, und als ich sah, worauf sie zeigte, musste ich lachen. Finns Mutter war total lieb, ich hatte mich vorhin schon eine Weile mit ihr unterhalten. Sie hatte mir vorhin schon von ihrem Hobby erzählt. Und es fiel wirklich gleich ins Auge: Überall im Garten waren ihre selbstgemachten Märchenfiguren aus Ton verteilt.
Neben Pauline im Beet saß ein riesiger getöpferter Frosch auf einer goldenen Kugel und glupschte sie mit großen Augen an. Zumindest glaubte ich, dass es der Froschkönig sein sollte.
„Küss ihn doch mal, vielleicht wird ja ein Prinz daraus.“
Pauline fand das leider gar nicht witzig. Sie rutschte auf der Bank ein Stück in meine Richtung und zischte: „Und der da ist auch unheimlich.“
Mit ihrem Stockbrot deutete sie auf Finn, und ich konnte mein Seufzen gerade noch kaschieren.

Manchmal wünschte ich wirklich, dass der Finn dieser Welt nicht in unsere Stadt gezogen wäre. Dann könnte ich nämlich Parallelwelt-Finn eindeutig als Feind in eine Schublade einsortieren. Und vor allem würde ich mich nicht damit quälen, ob ich meinen Freunden davon erzählen sollte, was ich in Vickys Tagebuch erfahren hatte.
Andererseits war die andere Vicky nun mal auch ich, und ich konnte doch meine geheimsten Geheimnisse nicht einfach herausposaunen! Und was war mit Konstantin? Würde er mir glauben, dass ich selbst in dieser Welt nichts für Finn empfand, während es mein anderes Ich dort tat?
Ich warf ihm einen Blick zu. Er und Nikolas waren auch mitgekommen, die Gelegenheit, Finn aus der Nähe zu begutachten, ließen sie sich nicht nehmen. Finn hatte sie zwar etwas verwundert begrüßt, immerhin waren sie ihm gegenüber immer sehr kurz angebunden, aber er hatte sie lächelnd hineingebeten. Ein weitere Pluspunkt auf seinem Sympathiekonto. Egal, von welcher Seite ich ihn gerade betrachtete, war er nett und absolut unauffällig.
Deswegen beschloss ich, mich selbst und Pauline erst mal vom Thema abzulenken. „Und gestern war es wirklich so schlimm?“
„Schlimmer“, murrte sie und zupfte an ihrem Brot herum. Paulines Mutter war mit ihr beim Optiker gewesen, um die fertige Brille abzuholen.
„Du wirst super aussehen“, sagte ich tröstend und meinte es auch so.
„Definiere super“, murrte sie. „Nikolas sagt da auch immer, aber ich bin mir nicht sicher, ob er mir die Wahrheit sagt. Denn im Lokal seines Onkels hängt ein Bild von Nana Muskuri mit so einer ähnlichen Brille, und die findet er doof.“
„Er findet bestimmt nicht die Brille doof, sondern nur die Musik von ihr.“
„Das hat er so aber nicht gesagt.“
Bis wir unsere Burger bekamen, versuchte ich, Pauline ihre Brille schön zu reden. An ihrer Einstellung war nur leider nichts zu rütteln, wenn sie mal beschlossen hatte, jemanden oder etwas – in diesem Fall ihre Brille – zu hassen. Umso erfreuter war ich, als sich noch jemand anders zu uns gesellte.
„Finn hat gesagt, dass er nach dem Essen Flaschendrehen spielen will“.
Delia ließ sich auf den freien Platz links neben mir nieder und stellte ihren Teller auf den Knien ab.
„Oh, gut, dann weiß ich, wann ich gehen muss“, meinte ich, und Jakob lachte, als er sich auf die Bank uns gegenübersetzte.
„Finn will manchmal nur schocken. Er hat so seine Phasen, meistens dann, wenn er viel zu lange viel zu nett war“, sagte er und begann, sich seinen Burger auf dem Teller zusammenzubauen.
„Und zu uns war er jetzt lange genug nett?“ Paulines Stimme war ein wenig zu schneidend für eine nette Konversation bei einer Housewarming Party. „Zeigt er jetzt sein wahres Gesicht?“
Jakob warf ihr einen irritierten Blick zu, zuckte dann allerdings nur mit den Schultern und kümmerte sich dann wieder um sein Essen.
„Er ist, wie Sechzehnjährige eben so sind“, nuschelte er zwischen zwei Bissen, und Delia neben mir lachte.
„Du bist doch selbst noch nicht mal Achtzehn.“
Jakob lächelte sie an, was Delia irgendwie nervös auf der Bank herumrutschen ließ. „Aber genau das eine Jahr macht den Unterschied.”